Projektbeschreibung Concrete Feelings’ FAK.19
Wir leben von Erinnerungen und Erfahrungen. Aus ihnen speist sich ein Großteil unserer sozialen Interaktion. Wir sind introvertiert oder extrovertiert, zugänglich oder verschlossen, gesellig oder einzelgängerisch, fröhlich oder traurig und alles dazwischen, gleichzeitig oder vielleicht nie. Und egal, wie wir sind, oder wie wir uns wünschen zu sein: jede dieser Vorstellungen und jede dieser Regungen trifft auf die Unendlichkeit möglicher Koordinatensysteme aus Freunden und Fremden, Liebhabern und zufälligen Bekanntschaften, Familie und Arbeitskollegen etc.
Lebendigkeit ist der Zündfunke jeder dieser Begegnungen und Leben im besten Fall das Feuer.
Räume sind Orte der Begegnungen. In den meisten Fällen definiert sich ihre Funktion über den Namen, den sie tragen. Wir müssen sie nicht notwendigerweise betreten, um uns ein Bild zu machen. Es reichen auch hier: Erinnerung und Erfahrung. Aus ihnen speist sich unser Regelwerk über diese Orte und darüber, wie wir sie betreten oder eben nicht.
Räume sind wie Menschen. Sie können unnahbare Charaktere sein oder eine warme und herzliche Umarmung. Sie sind wie die andauernde Projektion von Emotion, wie nach aussen gestülpte Seelenlandschaft, wie eine zweite Haut, in der wir – auch – leben, leben können, leben wollen, leben müssen. Und die Räume, in denen wir leben, werfen unseren Blick auf sie auf uns zurück. Indem wir sie wahrnehmen – das heisst auch: benutzen, bewohnen, gestalten – nehmen wir uns wahr.
Alles hat immer mit allem zu tun. Menschen treffen Menschen, und Menschen treffen Menschen in Räumen. Und Räume treffen auf Menschen. Und sie alle, wir alle, beeinflussen uns in jeder Begegnung.
Diese Chance möchten wir nutzen.
Wir möchten Menschen dazu bringen, über den Raum, seinen Nutzen, seine Ausdrucksmöglichkeiten, seine Emotion, seine Wandlung, seine Entwicklung und seinen Mehrwert für andere Menschen nachzudenken.
Wir möchten den Raum zu einem Körper machen, der sich in einer andauernden Diskussion mit sich und den Menschen befindet, die ihn betreten.
Wir möchten diese Diskussion erlebbar, erfahrbar, hörbar, sichtbar machen.
Wir möchten die Ambivalenz aufzeigen, die in Räumen wie in Körpern – menschlichen und künstlerischen – immer mitschwingt: das Spannungsfeld aus Manifestation und Gefühl, aus harter Schale und weichem Kern, aus Stillstand und Bewegung, ‚Concrete Feelings‘ eben.
Dazu erschaffen wir als kuratorisches Team einen ersten Ort, einen Raum Null, einen ersten Charakter. Aus dem leeren Atelier und unserer Erwartungshaltung daran, die sich eben auch aus Erfahrungen und Erinnerung speist, wird eine Wohnung. Aus dem öffentlichen wird ein privater Raum. Wir setzen Elemente, spannen eine erste Haut von Emotion, definieren damit eine bestimmte neue Vorstellungen und eine neue Erwartung.
Mit dem Raum Null kommt der Tag Null.
Wir laden die erste Künstlerin, den ersten Künstler ein.
Wir sagen: dieser Raum, das sind wir. Wir möchten, dass diese Flächen unserer Ideen, Vorstellungen, Erfahrungen, Erwartungen, Emotionen erweitert werden.
Und wir sagen: du kannst unsere Prägung auf diesen Ort behandeln wie du möchtest, du kannst sie nur nicht zerstören oder unsichtbar machen. Sie ist bereits so sehr Teil deiner Vorstellung wie sie Teil unserer ist.
Und wir sagen: nutze deine Kunst! Egal welches Medium, denn das bist du und so gehst du mit dir und also mit uns um.
Wir sagen: dies ist der Zündfunke, halte das Feuer am brennen. Das was du hier erschaffst, wird bleibend sein und wiederum prägend für jede und jeden, der nach dir kommt.
Der Raum wird lebendig, seine Charaktereigenschaften wandeln und entwickeln sich. Wir fällen kein Urteil. Wir öffnen die Wohnungstür für unser Publikum und die Diskussion darüber, wie wir uns darstellen, wie wir Gefühle ausdrücken, Innenleben darstellen, Menschen, Individuen sind, wie wir Rollen spielen und uns ‚authentisch‘ fühlen, was das überhaupt sein soll, und vor allem darüber, welchen Beitrag Kunst zu dieser Welt der Räume und ihrer Projektionsflächen leistet.
Und dann ist dieser Ort ein neuer Ort. Gewachsen um neue Erfahrungen und Emotionen und ergänzt um neue Inhalte. Es folgt: Tag Zwei. Der neue Ort wird der erste Ort und ein neuer Blick wir ihn wandeln. Die gleichen Regeln, kein Urteil. Eine neue Künstlerin, ein neuer Künstler, eine neue Herausforderung. Es folgt: Tag Drei, Tag Vier…
Am Ende ist das Atelier, die Wohnung, der Raum, der Ort, ein komplexer Charakter, angereichert um die – künstlerische wie emotionale – Arbeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Projekt. Am Ende ist er vielleicht gar nicht wiederzukennen, vielleicht ist er ein fieser Charakter geworden. Das soll jeder selbst entscheiden. So ist das Leben, so sind wir.